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Chruutmahl
Autor
Regie
Jahr
1995
Aufführungen
Premiere
Dernière

„Die Welt wäre wärmer und fröhlicher, wenn man sich mehr Geschichten erzählen würde.“ Um mehr Fröhlichkeit in die Welt bringen zu können, gibt es noch Geschichtenschreiber. Einer davon ist Walter M. Krumm. Er hat den Illauern ein Stück auf den Leib geschrieben. Gleiches könnte man von der Musik sagen. Der Komponist und Dirigent Jan Hrabek hat eigens für das Freilichtspiel einige interessante Kompositionen hervorgezaubert.

 

Wir erzählen Ihnen die Geschichte von Illnau und seinen Bewohnern in drei Zeitabschnitten. Die Problemchen im Dorf werden von den Mühen des Alltags und vom grossen Weltgeschehen bestimmt. Versetzen Sie sich in die dörfliche Atmosphäre. Vor Ihnen stehen einige Häuser des idyllischen Dorfes Illnau am Lauf der Kempt. Ganz rechts im herrschaftlichen Haus wohnt die wohlhabende Familie Wegmann. Daneben die Familie Morf im bescheidenen Taglöhner/Fabrikler-Haus. Die Familie Guyer nennt den schönen Riegelbau ihr Eigen. Immer wieder trifft man sich am zentral gelegenen Dorfbrunnen. Gelegentlich kommt der Pfarrer von der nahegelegenen Kirche zu seinen Schäfchen ins Dorf.

 

1. AKT – ILLNAU UM 1580

Das Leben ist bestimmt von der Arbeit, die der Selbstversorgung dient, und von der Abhängigkeit von den beiden wichtigsten Grundbesitzern, dem Staat Schaffhausen und dem Zürcher Grossmünsterstift. Es ist der Vorabend der alljährlichen Zehntenversteigerung.

 

Der Zehnte, den jeder seinem Grundeigentümer abgeben muss, wird an einen Bauern versteigert, der ihn bei allen Dorfbewohnern einziehen muss. Hannes Wegmann hat alles Interesse daran, die Zehnteneintreibung zu ersteigern, denn es bahnt sich ein gutes Jahr an. Er weiss, dass sein Nachbar Hermann Guyer ebenfalls ein Interesse daran hat und will daher den von ihm abhängigen Taglöhner Christian Morf dazu zwingen, mit übler Nachrede gegen Guyer seine Chancen für den Zuschlag zu erhöhen. Am Tag der Zehntenversteigerung kommen die Vertreter der Grundbesitzer aus Zürich und Schaffhausen. Der Illauer Pfarrer ermahnt seine Schäfchen, beim Versteigern nicht über ihre Verhältnisse zu gehen und beim anschliessenden „Chruutmahl“ – einem von den Zehntennehmern bezahlten Festessen – nicht zu sehr den leiblichen Genüssen zu erliegen.

 

Nach der Zehntenversteigerung will die ungeduldige Gemeinde zum „Chruutmahl“ schreiten, und es beginnt trotz Ermahnung ein ausgelassenes Feiern. Der Landvogt von Kyburg schlägt den Grundbesitzern vor, das ausartende „Chruutmahl“ in einen Fonds umzuwandeln, der einst bedürftigen Illauern zugute kommen soll. Einige Wochen später ist die Ernte voll im Gang, und die Bauern liefern ihren Zehnten an Wegmann ab. Dieser strebt unbeirrt nach Höherem und will aus dem Gewinn des Zehntengeschäfts auf seinem Hof eine Mühle errichten, was ihm zu mehr Geld, Macht und Ansehen verhelfen wird.

 

2. AKT – ILLNAU IM AUSGEHENDEN 18. JAHRHUNDERT

Die Nachfahren der Familien Guyer, Morf und Wegmann leben noch in denselben Häusern. Durch die vielen Erbteilungen sind die Familien Guyer und Morf zu keinem anständigen Besitz gekommen, während die Wegmanns eine Mühle und ein Gasthaus betreiben. Conrad Morf ist ein findiger Kopf, beherrscht das Lesen und Schreiben und unterrichtet die Schulkinder in seiner Stube.

 

Es hat in den letzten Jahren oft Hungersnöte gegeben, weil die alte Dreizelgenwirtschaft die inzwischen stark angewachsene Bevölkerung nur mehr unzureichend ernähren kann. Der Bauer Johann Guyer unterhält mit der ökonomischen Kommission der Naturforschenden Gesellschaft Zürich regen Briefkontakt und hat dabei schon manche gute Idee für die längst fällige Landwirtschafsreform geliefert. Ein Wagen des Textilkaufmanns Schild aus Zürich fährt vor. Die Familie Morf fertigt für Schild Garn, und die Familie Guyer liefert gewobene Ware aus der Heimarbeit ab. Schild macht dem reichen Wegmann die Möglichkeit schmackhaft, mechanische Spinn- und Webmaschinen aufzustellen. Mitten in der Nacht ertönen Hilferufe. Die Revolution greift um sich. Die Landbevölkerung wird immer unzufriedener mit den aristokratischen Machthabern. Pfarrer Keller lässt mitten in der Nacht seine Kinder nach Schaffhausen in Sicherheit bringen.

 

Nachdem die Illauer der untergehenden Regierung in Zürich zuerst noch zu Hilfe kommen wollen, sehen sie nun selbst ein, dass die Revolution nicht mehr aufzuhalten ist. Und als die Helvetische Republik ausgerufen wird, bleibt auch den Illauern nichts anderes übrig, als mit der neuen Zeit zu gehen. So wird auch in Illnau ein Freiheitsbaum aufgestellt.

 

Die ersten französischen Truppen werden in Illnau einquartiert. Die Soldaten plündern und rauben. Der Bevölkerung bleibt nichts anderes übrig, als dieses Unglück zu erdulden. Der Tag naht, an dem die Franzosen wegen neuer kriegerischer Händel Illnau verlassen müssen. Noch beim Abzug werden die jungen, unverheirateten Illauer zum Militärdienst verpflichtet. Jetzt hat der Pfarrer Keller alle Hände voll zu tun, um die vielen Heiratswilligen zu trauen. Als Glück im Unglück erweist sich auch der von Pfarrer gehütete „Chruutfonds“, der nun zur Behebung der Schäden geöffnet wird.

 

3. AKT – ILLNAU UM 1870

Die Wirren der Revolutionszeit sind vorbei, und auch der Sonderbundskrieg hat den modernen Bundesstaat Schweiz nicht verhindern können. Die industrielle Revolution hat begonnen und ein neues Zeitalter eingeläutet. Die Nachfahren der Familie Guyer sind Bauern und betreiben die Wirtschaft zum „Frieden“ und eine kleine Fuhrhalterei. Aus der Mühle ist eine Spinnerei geworden, und Jakob Wegmann hat sich abseits eine Villa bauen lassen. Die Morfs sind Arbeiter, ihr kleines Haus hat der Fabrikerweiterung weichen müssen.

 

Der Neffe Wegmanns, Friedrich Wegmann, bei seinem Onkel aufgewachsen, ist ein findiger Kopf und hat sich der Müllereitechnik zugewendet. Er geht ins Ausland, um dort seine Erfindungen zu produzieren. Wegmann bittet seinen Neffen – und später Gründer der Maschinenfabrik Oerlikon -, nicht fort zugehen und stattdessen seine Fabrik zu übernehmen.

 

Pfarrer Johann Konrad Frey nimmt den traurigen Wegmann auf einen Most in den „Frieden“ mit. Da entwickelt sich bald eine heisse politische Diskussion. In den Zeitungen wird eine regelrechte Redeschlacht betrieben, und als Pfarrer Frey einen satirischen Artikel über sich in der Zeitung liest gerät er ausser sich.

 

Abends verlassen die Arbeiter die Fabrik und streben der Wirtschaft zu, wo eine Gemeindeversammlung über den bevorstehenden Bahnbau stattfindet. Und wieder geraten sich die Illauer in die Haare.

 

Monate später – der Bahnbau hat längst begonnen – prägen italienische Gastarbeiter das Leben in Illnau. Manch ein Mädchen erliegt dem Charme der Südländer.

 

Der Tag der Einweihung der neuen Bahnverbindung ist gekommen. Während die ganze Gemeinde beim Bahnhof den Eröffnungszug erwartet, finden sich auf der leeren Strasse Wegmann, Guyer und Morf. In Anbetracht der grossen Veränderungen, die auf sie zukommen – das Ende der Dynastie, wirtschaftlich Neuorientierung und Auswanderung – versöhnen sich die einstigen Gegenspieler beim wieder auferstandenen „Chruutmahl“